Fachpraxis für Pferde

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...von der Hand in den Mund

Es ist derzeit in aller Munde: Die Hand. Oder besser gesagt: Die Zügelhand. Und infolge dessen natürlich auch das, was im Pferdemaul liegt: Das Gebiss und die daran geknüpfte Trense samt Reithalfter. Man kann gar nicht oft genug auf diese Problematik hinweisen, die sich mit einer falschen Handhabung der Zügel ergibt! Die Auswirkungen bei einer nicht korrekten Anwen-dung und Einwirkung sehe ich immer wieder bei meinen Befundungen und anschließenden Behandlungen. Und zwar in Form von Verspannungen, verschobenen Wirbeln, Lahmheiten, Beckenschiefstand usw.

Warum das so ist?
Immer wieder erfahre ich, welche Irrtümer bei der Verschnallung der Trense vorliegen!
Was klar ist: Wenn das Gebiss selbst nicht passt, bedeutet dies Unbehagen. Ist es zu schmal, kneift es die Mundwinkel, ist es zu breit entstehen zum Teil falsche Signale im Maul.
Die Faustregel gilt: cirka 1 cm sollte das Gebiss auf jeder Seite aus dem Maul heraus schauen, dann passt es. Es gibt viele verschiedene Varianten der Gebisse, zwischen denen man die Qual der Wahl hat. Letztendlich muss man ausprobieren, mit welchem Gebiss sich das Pferd am wohlsten fühlt.
 
Eingeschnallt wird es so, dass es nicht zu lang herunter hängt und dann – insbesondere bei männlichen Vertretern – gegen die Zähne schlägt. Und es darf auch nicht zu kurz eingeschnallt sein, sonst kann das Pferd das Maul nicht mehr korrekt schließen und die Atmung wird behindert, da beim Kauen zuweilen Luft in die Speiseröhre kommt (Atmen können Pferde nur über die Nüstern, jedoch nicht über das Maul!).
Apropos Atmung: Ist der Sperrriemen zu eng verschnallt, behindert das auch die Atmung, und natürlich unterbindet es auch ein entspanntes Kauen.
Wie soll ein Pferd mit zugeschnürtem Maul kauen? Besonders schlimm finde ich hier die Praktik mancher Reiter: Wenn ein Pferd nicht so mitmacht, wie es soll, den Sperrriemen fester zu schnallen.
Wenn sich das Pferd gegen die Reiterhand wehrt, sollte überlegt werden, warum es das tut und die Ursache – wie zum Beispiel eine zu harte Hand oder auch Rückenschmerzen – abstellen, und nicht das Symptom! Jeder Reiter hat doch das Ziel, dass sein Pferd entspannt abkauen kann: Ein Zeichen von Losgelassenheit!
 
Hat man nun die Trense bei Nasen- und/oder Sperrriemen zu eng verschnallt, behindert man das Abkauen. Dadurch entstehen Verspannungen. Zunächst im Kiefergelenk. Das wirkt sich auf den ersten Halswirbel aus... Sie wissen worauf ich hinaus will: Es wirkt sich auf die gesamte Wirbelsäule und die Statik des Pferdes aus. Irgendwann hat man keine Chance mehr, auf solch einem Pferd entspannt zu reiten! In dieser Sache ist ein weiterer Punkt nicht zu verachten. Nicht nur, dass Kauen eigentlich nicht möglich ist – wenn das Pferd es dann doch versucht, bekommt das Pferd zusätzlich Druck im Nacken. Warum? Bei den meisten Reithalftern verläuft der Nasenriemen im Genick unter dem breiteren Riemen. Kaut das Pferd, gibt es Zug auf den Nasenriemen und damit auch in der Genickverschnallung.
Das verursacht Schmerzen. Nicht nur, dass es für das Pferd dann eigentlich eine Bestrafung erfährt, wenn es kaut – es kann sogar Entzündungen bei dem dort gelagerten Schleimbeutel hervorrufen.
Das Kauen kann man übrigens auch „recht erfolgreich“ mit einem zu engen Stirnriemen verhindern. Dieser liegt nämlich über den Kiefergelenken – die sich beim Abkauen natürlich bewegen. Drückt der Stirnriemen darauf, ist das unangenehm, und das Pferd wird die Kaubewegung zu vermeiden versuchen.

Aber nicht nur bei der Verschnallung werden Fehler gemacht. Auch im Umgang mit den Zügeln besteht Unwissenheit. Sieht doch der Kopf eines Pferdes recht stabil aus! Aber nur, solange Fell usw. darüber ist. Betrachten Sie sich einmal den skelettösen Kopf des Pferdes. Sie werden sehen, wie fein die Knochen des Kopfes sind!

Mit diesem Hintergrund dürfte jedem verständlich sein, was mir zu schaffen macht. Es sind Pferde, die, mit schmerzerfüllten und ängstlichen Augen, direkt nach dem Aufsteigen des Reiters kopfseitig heruntergezogen werden. Bis die Pferde sich fast selbst in die
Brust beißen könnten. Vom Nasenbein kurz vor der Senkrechten fehlt jede Spur, von einem losgelassen schwingenden Rücken auch.
Das Pferd versucht trotzdem alles richtig zu machen und bewegt die Beine wie gefordert. Der Rücken wird aber, um den Schmerzen zu entgehen, fest gehalten. Über die Zeit wird hier die Bewegung immer weniger. Jeglicher Schwung, der aus der Hinterhand kommt, wird bei dieser Form des Sitzens mit der Reiterhand hart gestoppt, da einfach kein Platz zum Schwingen und sanftem Nachgeben gelassen wird. Die Verspannungen sind bei der Rollkur (oder Hyper-flexion, wie es auch genannt wird) vorauszusagen. Häufig treten Probleme im Bereich der oberen Halswirbel auf.

Oder die Pferde laufen plötzlich so, als hätte der Kopf die Hinterhand vergessen: Da laufen die Vorderbeine, dann kommt lange nichts, dann laufen die Hinterbeine. Aber wirklich koordiniert sieht das dann nicht mehr aus. Das Pferd schaltet entweder seelisch völlig ab, oder wird irgendwann unwillig, weil es nicht mehr weiß, wie es sich schmerzfrei vorwärts bewegen soll. Wehrt sich ein Pferd gegen die schmerzhafte Einwirkung mit Kopfschlagen, wird es leider immer noch zu häufig mit einem kräftigen Reißen am Zügel „belohnt“, anstatt der Ursache nachzugehen und diese abzustellen.

Zum Glück wird das Bewusstsein für die Schmerzempfindung der Pferde aber immer größer, und vielen Pferden wird geholfen! Ich darf sie behandeln und zu einer besseren Lebensqualität, sowie dem Reiter wieder zu einem schönen Reitgefühl verhelfen.

...soweit die Beine tragen ...Hilfszügel - Sinn oder Unsinn?